Sonntag, 7. Oktober 2012

Bericht I von Robin


Erste Eindrücke aus  Togo (Robin Frisch)
YOWO, FUFU und MOTO
Mein Name ist Robin Frisch, ich bin 18 Jahre alt und habe gerade mein Abitur gemacht. Am 21. August habe ich mich auf den Weg gemacht, mein freiwilliges soziales Jahr im Kinderhaus Frieda in Lomé zu absolvieren.
Nach einem etwa sieben Stunden langen Flug bin ich am Flughafen in Lomé gelandet. Bereits beim ersten Schritt aus dem Flugzeug habe ich gemerkt, dass die Luft sehr feucht ist und auch die Organisation am Flughafen eine etwas andere ist. Alles ist etwas chaotisch und unorganisiert. Dieses Chaos  ist auch bei der allgemeinen Verkehrssituation zu finden. Bei einer normalen Taxifahrt in Lomé sitzen drei Personen vorne und vier Personen hinten. Die Autos fahren zwar meistens alle noch, haben aber große Mängel. Die Frontscheibe ist meistens gesplittert, die Anzeige für den Tank und die Geschwindigkeit funktioniert nicht und die Türen lassen sich manchmal nicht mehr schließen. Viele Straßen haben enorme Schlaglöcher und in den Wohngebieten sind die Straßen nicht geteert. Auf den Straßen sind auch sehr viele moto Taxis unterwegs. Die Fahrer und die Mitfahrer tragen keinen Helm. Demnach gibt es auf den Straßen von Lomé eine extrem hohe Unfallgefahr.
Wenn man spazieren geht, wird man von den Kindern immer freundlich als yowo begrüßt. Yowo heißt „Weißer“ auf Ewe, der afrikanischen Muttersprache hier und es gibt ein Lied aus der Kolonialzeit, was den Leuten hier anscheinend gut in Erinnerung geblieben ist: „Yowo, yowo, bonsoir! Cava bien? Merci!“  Es ist am besten, wenn man das yowo - Spiel einfach mitspielt und sich nicht angegriffen fühlt, denn es kann schon passieren, dass man sehr häufig so angesprochen wird.
Das Essen ist in den ersten Tagen auch eine Umstellung gewesen. Die Spezialität hier ist fufu. Nach anfänglicher Skepsis, da man fufu mit den Händen isst und es eine klebrige Konsistenz hat, habe ich mich sehr gut an das Essen gewöhnt. Nachdem ich das erste Mal selbst fufu gemacht habe, muss ich sagen, dass das Stampfen in dem Topf auf Dauer wirklich anstrengend ist, aber es wird bestimmt mein neues Lieblingsgericht!
In den ersten Tagen hier in Lomé hatte ich das Glück, dass mich ein junger Fremdenführer begleitet hat. Er hat mir schon ein paar Ecken in der Stadt gezeigt. Ich habe zum Beispiel schon den Boulevard am Strand, das Menschengewusel am grand marché, das Verkehrschaos am Hafen, die Universität und das Nationalmuseum von Togo kennengelernt. Das sogenannte Nationalmuseum ist jedoch extrem klein und verdient den Namen Nationalmuseum nicht wirklich. Lomé ist eine vielseitige, lebendige und laute Hauptstadt. Hier spielt sich fast der gesamte Handel ab und es gibt viele Probleme. Bemerkenswert ist, wie viel Müll in den Straßen und am Strand liegt und das, obwohl es eine Müllabfuhr in allen quartiers einmal pro Woche gibt. Auch die Armut und Obdachlosigkeit wird besonders am Strand deutlich, da dieser als öffentliche Toilette und Schlafplatz angesehen wird.
Neben Lomé habe ich auch schon andere Städte in Togo kennengelernt. Zusammen mit meinem Freund/Fremdenführer habe ich einen Ausflug nach Kpalimé, an der Grenze zu Ghana, gemacht. Dort konnte ich neben dem Großstadttrubel schon einmal die wunderbare Natur in Westafrika genießen. Wir haben in einem wunderschönen Wasserfall gebadet und eine Wanderung durch den Urwald gemacht. Dabei hat mich besonders die für mich vorher unbekannte Pflanzen- und Tierwelt beeindruckt.
Ein weiterer Ausflug ging nach Togoville/Togostadt. Nach einer abenteuerlichen Bootstour über den Lac Togo haben wir das maison royale dort besichtigt, in dem der Kolonialvertrag zwischen Mlapa IV. und Gustav Nachtigall 1884 unterzeichnet wurde. Mich hat hier überrascht, dass die Togolesen sehr positiv über die deutsche Kolonialherrschaft denken. Viele haben die Ansicht, dass alles, was die Deutschen gemacht haben, sehr gut und nachhaltig war und dass die Franzosen gar nichts gemacht haben. Der Name des Landes Togo ist übrigens auch auf dieses kleine, aber wichtige Dorf Togoville/Togostadt zurückzuführen. Dieser historisch hoch interessante Ort hat mir sehr gefallen! Die bisherigen Ausflüge haben mir viel Spaß gemacht und waren ein super Start für mein Jahr hier in Lomé.
Meine Arbeit im Kinderhaus fängt erst ab dem 10. September an. Die Kinder kommen am 15. September aus den Ferien, in denen sie ihre noch verbliebenen Verwandten besuchen, zurück. Ich werde sie mit abholen, damit ich schon einen Eindruck davon bekomme, aus welchem Umfeld sie kommen und wie der familiäre  Kontext ist. Ich freue mich schon riesig auf die Kinder und meine Zeit im Kinderhaus! Das Jahr wird bestimmt eine große Herausforderung, aber gleichzeitig eine Bereicherung und eine einmalige Chance, die Kultur, das Land und die Leute kennenzulernen.  


 Ich habe sehr viel erlebt, sodass ich das eigentlich gar nicht alles in Worten festhalten kann!
In den ersten drei Wochen hier habe ich bei einem Freund (Étienne) gewohnt und konnte mich so schon einmal einleben! Er hat mir viel gezeigt und ich konnte auch auf eigene Faust die Stadt erkunden! Ich glaube so ist es auch am interessantesten! Den Grand marché kenne ich jetzt schon ganz gut. Jeden Freitag gehe ich zum Diskutieren ins Goethe Institut und erzähle Germanistikstudenten ein bisschen über deutsche Politik! Dann war ich im Foyer des Marins (Seemannsmission) und habe Daniel, den deutschen Leiter besucht, der wirklich sehr nett ist und das Seemannsheim sehr gut führt. Das Seemannsheim ist eine Art Wohlfühloase am Hafen von Lomé! Es gibt einen schönen Pool mit Bar und einen Kicker, Billard und eine kleine Bibliothek – sogar mit deutschen Filmen und Büchern!
Mein Bild von Lomé hat sich im Vergleich zu der ersten Woche auf jeden Fall jetzt schon verändert! Ich sehe jetzt alles etwas differenzierter und weiß wo ich mich wohlfühlen kann, wie ich mich fortbewegen kann und wo ich lieber nicht hingehen sollte! Lomé ist meiner Ansicht nach eine vielseitige Stadt die ein hohes Entwicklungspotenzial hat! Der Hafen und die Lage bringen enorme Vorteile mit sich, die aber leider noch nicht ausreichend genutzt werden. Das liegt einerseits daran dass die Straßen in einem miserablen Zustand sind! Als wir die Kinder aus dem Norden abholt haben, sind wir 650 Kilometer von Lomé bis nach Dapaong gefahren. Es war eine einmalig interessante und anstrengende Autofahrt. Wir haben alle größeren Städte in Togo durchquert! Atakpamé, Sokodé, Kara und dann haben wir für zwei Nächte in Dapaong geschlafen, um uns auszuruhen. Für die Hinfahrt haben wir etwa 16 Stunden gebraucht. Wir hatten auch noch eine Panne und standen dann im Dunkeln 40 Kilometer vorm Ziel ohne Sprit. Aber mal abgesehen von den widrigen Verkehrsbedingungen war es eine wunderbare Reise! Togo ist landschaftlich wirklich wunderschön, weil es fast alles zu bieten hat. Strand und Meer, Gebirge und Dschungel und dann die einmalige Savannenregion im Norden. 
Auf der Rückfahrt haben wir dann 11 Kinder in den einzelnen Dörfern eingesammelt, wo sie die Ferien bei noch verbliebenen Verwandten verbracht haben und sind bei extremen Regen nach Hause gefahren! Ich kann euch sagen, nach dieser Fahrt war ich echt fertig!
Der Rest der Kinder wurde dann am Dienstag (18.09.2012) aus der Region Lomé abgeholt und am Mittwoch waren wir dann alle vollständig. Die Kinder haben sich alle sehr gefreut, dass es ins Kinderhaus geht und wir haben uns die ersten Tage schon gut kennengelernt und viel Spaß gehabt! Mit den Jungs habe ich gestern schon mal die erste Runde barfuß Fußball gespielt! Da hatten wir viel Spaß! Mit den Mädchen habe ich Geschichten gelesen, Memory und „Wer bin ich“ gespielt und ein wenig beim Kochen geholfen! Die Jungs haben Kohle umgefüllt und wurden alle richtig dreckig und ich habe mit den Mädchen Mais gesiebt und wir wurden alle weiß! Das war schon sehr lustig – aber auch staubig! Die Kinder hier im Kinderhaus sind alle bezaubernd. Jedes Kind hat etwas Besonderes und es macht mir sehr viel Spaß jedes Kind kennenzulernen. Am 19.09. war hier eine Réunion, bei der der Vorstand und besonders der Präsident die Kinder begrüßt haben und sie für das Schuljahr motiviert haben. Vieles ist im Moment im Wandel im Kinderhaus. Die Kinder sind eigentlich schon keine Kinder mehr, sondern manche schon Erwachsene und es ist wichtig, was sie in der
Eigentlich sollte die Schule schon am Montag (24.09.2012) losgehen, aber „la rentrée“ wurde auf den 8. Oktober verschoben!  So haben wir noch zwei Wochen mehr zum Amüsieren, bis dann die Schule losgeht! Ich glaube ja, dass sie den Schulanfang verschoben haben, weil für Ende September Demonstrationen angekündigt sind, aber ich weiß nicht was die offizielle Erklärung ist!
Dass war jetzt das Gröbste, was in den letzten 3 Wochen passiert ist! Erwähnenswert ist noch dass ich mit Étienne auf einer Hochzeit von einem Politiker war und am Tisch mit dem Generalsekretär von der Oppositionspartei saß und einfach total beeindruckt von der Feier war! Es waren etwa 300 Gäste da.  Man wurde förmlich von der Lebensfreunde und der guten Laune der Gäste angesteckt und sie haben mich zum Tanzen aufgefordert und mir den Taschentuch – Hochzeitstanz gezeigt! Nach der Hochzeit waren Etienne und ich noch in einer Tanzbar mit Live Musik! Da haben wir noch ein Bierchen getrunken und den einmaligen Abend ausklingen lassen. Lustiger weise habe ich dort drei Frauen wiedergetroffen, die ich im Flugzeug kennenglernt habe. An diesem Abend ist mir besonders aufgefallen, dass es manchmal eine besondere Atmosphäre gibt! Sehr afrikanisch, sehr anders, sehr gut – sehr schwer in Worte zu fassen!
Ja! Wie ihr meiner Mail jetzt entnehmen könnt, geht es mir hier gut und ich habe mich in dem ersten Monat schon ganz gut eingelebt. Auch wenn ich glaube dass es wirklich 3 – 4 Monate dauert, bis man sich wirklich wohl fühlt und vollständig angekommen ist. Die Umstellung der Lebensumstände ist vielleicht die größte Herausforderung. Aber um mein Verlangen nach Informationen und Nachrichten zu stillen habe ich mir ein Radio gekauft und höre jetzt morgens und abends immer internationale Nachrichten auf einem französischen Sender. Ich habe auch schon drei Lieblingszeitungen gefunden: L’alternative, Liberté und Togoreveil! Das sind sehr kleine private Zeitungen! Da Meinungs- und Pressefreiheit noch problematisch ist, habe ich höchstens Respekt vor den Redakteuren! Nur leider kann man die Zeitungen nicht überall kaufen! Am Grand Marché gibt es zum Beispiel einen Zeitungsstand. Der Verkäufer ist schon mein Kumpel und er erklärt mir immer was es so Neues gibt und über was die Menschenmasse diskutiert, die immer vor dem Stand steht. 
Am 20.09.2012 war ich in der Deutsch Botschaft bei einem Empfang! Dort habe ich den deutschen Botschafter, Herrn Weiß, ein wenig kennengelernt. Die Botschaft ist wirklich sehr sehr cool! Ein sehr großes Gelände, sogar mit Rasen! Es gab Paulaner Weißbier und ich habe viele Leute kennengelernt. Viele Freiwillige hier in Togo, aber auch viele Togolesen/innen. Da wurden wirklich viele neue Nummern im Handy eingespeichert. Da bin ich wirklich froh, dass ich den weiten und nicht ganz ungefährlichen Weg abends am Boulevard am Strand gegangen bin. Es hat sich wirklich gelohnt.
Am Samstagmorgen haben die Kinder und ich Sport gemacht. Frisbee und Fußball standen auf dem Programm und das Spiel Möhrenziehen (Carottes :D ) kam erstaunlich gut bei den Kindern an und wird jetzt exzessiv gespielt. Auch die Kartenspiele, die ich erst Mittwoch gekauft habe, werden sehr häufig genutzt und machen viel Spaß. Samstag wird hier wohl zum Sporttag.
Der Sonntag hat mit meinem ersten Kirchgang angefangen. Schon um 6 Uhr hat der Gottesdienst angefangen und da er auf Ewe war, habe ich leider kein Wort verstanden. Aber es hat sich schon gelohnt, das alles einmal zu sehen. Die Atmosphäre und diese ganz besondere Beziehung zur Kirche bzw. zum Glauben ist wirklich sehr bemerkenswert. Für mich auch etwas bizarr und extrem. Aber man muss alles gesehen haben, um sich ein Urteil darüber zu erlauben. Ich bin gegenüber der Katholischen Kirche hier auf jeden Fall skeptisch.
So das war es jetzt erst einmal wieder an Neuigkeiten!
Alles in allem geht es mir gut! Es gibt wirklich Momente, die sehr hart sind. Aber andererseits ist es eine derart einmalige und wunderbare Erfahrung, dass ich wirklich begeistert bin. Hier schon einmal ein DANKE an Lena und die LKJ. Und an den Arbeitskreis in Hude. Jetzt hoffe ich nur noch, dass ich den Kindern genauso viel mitgeben kann, wie ich hier mitnehmen kann!
Ganz liebe Grüße aus meiner neuen Heimat, Lomé
Robin

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