Erste
Eindrücke aus Togo (Robin Frisch)
YOWO, FUFU und MOTO
Mein Name
ist Robin Frisch, ich bin 18 Jahre alt und habe gerade mein Abitur gemacht. Am
21. August habe ich mich auf den Weg gemacht, mein freiwilliges soziales Jahr
im Kinderhaus Frieda in Lomé zu absolvieren.
Nach einem
etwa sieben Stunden langen Flug bin ich am Flughafen in Lomé gelandet. Bereits
beim ersten Schritt aus dem Flugzeug habe ich gemerkt, dass die Luft sehr
feucht ist und auch die Organisation am Flughafen eine etwas andere ist. Alles
ist etwas chaotisch und unorganisiert. Dieses Chaos ist auch bei der allgemeinen
Verkehrssituation zu finden. Bei einer normalen Taxifahrt in Lomé sitzen drei
Personen vorne und vier Personen hinten. Die Autos fahren zwar meistens alle
noch, haben aber große Mängel. Die Frontscheibe ist meistens gesplittert, die
Anzeige für den Tank und die Geschwindigkeit funktioniert nicht und die Türen
lassen sich manchmal nicht mehr schließen. Viele Straßen haben enorme
Schlaglöcher und in den Wohngebieten sind die Straßen nicht geteert. Auf den
Straßen sind auch sehr viele moto Taxis unterwegs. Die Fahrer und die Mitfahrer
tragen keinen Helm. Demnach gibt es auf den Straßen von Lomé eine extrem hohe
Unfallgefahr.
Wenn man
spazieren geht, wird man von den Kindern immer freundlich als yowo begrüßt. Yowo heißt „Weißer“ auf Ewe, der afrikanischen Muttersprache hier
und es gibt ein Lied aus der Kolonialzeit, was den Leuten hier anscheinend gut
in Erinnerung geblieben ist: „Yowo, yowo, bonsoir! Cava bien? Merci!“ Es ist am besten, wenn man das yowo - Spiel einfach mitspielt und sich
nicht angegriffen fühlt, denn es kann schon passieren, dass man sehr häufig so
angesprochen wird.
Das Essen
ist in den ersten Tagen auch eine Umstellung gewesen. Die Spezialität hier ist fufu. Nach anfänglicher Skepsis, da man fufu mit den Händen isst und es eine
klebrige Konsistenz hat, habe ich mich sehr gut an das Essen gewöhnt. Nachdem
ich das erste Mal selbst fufu gemacht
habe, muss ich sagen, dass das Stampfen in dem Topf auf Dauer wirklich
anstrengend ist, aber es wird bestimmt mein neues Lieblingsgericht!
In den
ersten Tagen hier in Lomé hatte ich das Glück, dass mich ein junger
Fremdenführer begleitet hat. Er hat mir schon ein paar Ecken in der Stadt
gezeigt. Ich habe zum Beispiel schon den Boulevard am Strand, das
Menschengewusel am grand marché, das
Verkehrschaos am Hafen, die Universität und das Nationalmuseum von Togo
kennengelernt. Das sogenannte Nationalmuseum ist jedoch extrem klein und
verdient den Namen Nationalmuseum nicht wirklich. Lomé ist eine vielseitige,
lebendige und laute Hauptstadt. Hier spielt sich fast der gesamte Handel ab und
es gibt viele Probleme. Bemerkenswert ist, wie viel Müll in den Straßen und am
Strand liegt und das, obwohl es eine Müllabfuhr in allen quartiers einmal pro Woche gibt. Auch die Armut und Obdachlosigkeit
wird besonders am Strand deutlich, da dieser als öffentliche Toilette und
Schlafplatz angesehen wird.
Neben Lomé
habe ich auch schon andere Städte in Togo kennengelernt. Zusammen mit meinem
Freund/Fremdenführer habe ich einen Ausflug nach Kpalimé, an der Grenze zu
Ghana, gemacht. Dort konnte ich neben dem Großstadttrubel schon einmal die
wunderbare Natur in Westafrika genießen. Wir haben in einem wunderschönen
Wasserfall gebadet und eine Wanderung durch den Urwald gemacht. Dabei hat mich
besonders die für mich vorher unbekannte Pflanzen- und Tierwelt beeindruckt.
Ein weiterer
Ausflug ging nach Togoville/Togostadt. Nach einer abenteuerlichen Bootstour
über den Lac Togo haben wir das maison
royale dort besichtigt, in dem der Kolonialvertrag zwischen Mlapa IV. und
Gustav Nachtigall 1884 unterzeichnet wurde. Mich hat hier überrascht, dass die
Togolesen sehr positiv über die deutsche Kolonialherrschaft denken. Viele haben
die Ansicht, dass alles, was die Deutschen gemacht haben, sehr gut und
nachhaltig war und dass die Franzosen gar nichts gemacht haben. Der Name des
Landes Togo ist übrigens auch auf dieses kleine, aber wichtige Dorf
Togoville/Togostadt zurückzuführen. Dieser historisch hoch interessante Ort hat
mir sehr gefallen! Die bisherigen Ausflüge haben mir viel Spaß gemacht und
waren ein super Start für mein Jahr hier in Lomé.
Meine Arbeit
im Kinderhaus fängt erst ab dem 10. September an. Die Kinder kommen am 15.
September aus den Ferien, in denen sie ihre noch verbliebenen Verwandten
besuchen, zurück. Ich werde sie mit abholen, damit ich schon einen Eindruck
davon bekomme, aus welchem Umfeld sie kommen und wie der familiäre Kontext ist. Ich freue mich schon riesig auf
die Kinder und meine Zeit im Kinderhaus! Das Jahr wird bestimmt eine große
Herausforderung, aber gleichzeitig eine Bereicherung und eine einmalige Chance,
die Kultur, das Land und die Leute kennenzulernen.
Ich habe sehr viel erlebt, sodass ich das
eigentlich gar nicht alles in Worten festhalten kann!
In den ersten
drei Wochen hier habe ich bei einem Freund (Étienne) gewohnt und konnte mich so
schon einmal einleben! Er hat mir viel gezeigt und ich konnte auch auf eigene
Faust die Stadt erkunden! Ich glaube so ist es auch am interessantesten! Den
Grand marché kenne ich jetzt schon ganz gut. Jeden Freitag gehe ich zum
Diskutieren ins Goethe Institut und erzähle Germanistikstudenten ein bisschen
über deutsche Politik! Dann war ich im Foyer des Marins (Seemannsmission) und
habe Daniel, den deutschen Leiter besucht, der wirklich sehr nett ist und das
Seemannsheim sehr gut führt. Das Seemannsheim ist eine Art Wohlfühloase am
Hafen von Lomé! Es gibt einen schönen Pool mit Bar und einen Kicker, Billard
und eine kleine Bibliothek – sogar mit deutschen Filmen und Büchern!
Mein Bild von
Lomé hat sich im Vergleich zu der ersten Woche auf jeden Fall jetzt schon
verändert! Ich sehe jetzt alles etwas differenzierter und weiß wo ich mich
wohlfühlen kann, wie ich mich fortbewegen kann und wo ich lieber nicht hingehen
sollte! Lomé ist meiner Ansicht nach eine vielseitige Stadt die ein hohes
Entwicklungspotenzial hat! Der Hafen und die Lage bringen enorme Vorteile mit
sich, die aber leider noch nicht ausreichend genutzt werden. Das liegt
einerseits daran dass die Straßen in einem miserablen Zustand sind! Als wir die
Kinder aus dem Norden abholt haben, sind wir 650 Kilometer von Lomé bis nach
Dapaong gefahren. Es war eine einmalig interessante und anstrengende Autofahrt.
Wir haben alle größeren Städte in Togo durchquert! Atakpamé, Sokodé, Kara und
dann haben wir für zwei Nächte in Dapaong geschlafen, um uns auszuruhen. Für
die Hinfahrt haben wir etwa 16 Stunden gebraucht. Wir hatten auch noch eine
Panne und standen dann im Dunkeln 40 Kilometer vorm Ziel ohne Sprit. Aber mal
abgesehen von den widrigen Verkehrsbedingungen war es eine wunderbare Reise!
Togo ist landschaftlich wirklich wunderschön, weil es fast alles zu bieten hat.
Strand und Meer, Gebirge und Dschungel und dann die einmalige Savannenregion im
Norden.
Auf der Rückfahrt haben wir dann 11 Kinder in den einzelnen Dörfern
eingesammelt, wo sie die Ferien bei noch verbliebenen Verwandten verbracht
haben und sind bei extremen Regen nach Hause gefahren! Ich kann euch sagen,
nach dieser Fahrt war ich echt fertig!
Der Rest der
Kinder wurde dann am Dienstag (18.09.2012) aus der Region Lomé abgeholt und am
Mittwoch waren wir dann alle vollständig. Die Kinder haben sich alle sehr gefreut,
dass es ins Kinderhaus geht und wir haben uns die ersten Tage schon gut
kennengelernt und viel Spaß gehabt! Mit den Jungs habe ich gestern schon mal
die erste Runde barfuß Fußball gespielt! Da hatten wir viel Spaß! Mit den
Mädchen habe ich Geschichten gelesen, Memory und „Wer bin ich“ gespielt und ein
wenig beim Kochen geholfen! Die Jungs haben Kohle umgefüllt und wurden alle
richtig dreckig und ich habe mit den Mädchen Mais gesiebt und wir wurden alle
weiß! Das war schon sehr lustig – aber auch staubig! Die Kinder hier im
Kinderhaus sind alle bezaubernd. Jedes Kind hat etwas Besonderes und es macht
mir sehr viel Spaß jedes Kind kennenzulernen. Am 19.09. war hier eine Réunion,
bei der der Vorstand und besonders der Präsident die Kinder begrüßt haben und sie
für das Schuljahr motiviert haben. Vieles ist im Moment im Wandel im
Kinderhaus. Die Kinder sind eigentlich schon keine Kinder mehr, sondern manche
schon Erwachsene und es ist wichtig, was sie in der
Eigentlich sollte
die Schule schon am Montag (24.09.2012) losgehen, aber „la rentrée“ wurde auf
den 8. Oktober verschoben! So haben wir noch zwei Wochen mehr zum
Amüsieren, bis dann die Schule losgeht! Ich glaube ja, dass sie den Schulanfang
verschoben haben, weil für Ende September Demonstrationen angekündigt sind,
aber ich weiß nicht was die offizielle Erklärung ist!
Dass war jetzt
das Gröbste, was in den letzten 3 Wochen passiert ist! Erwähnenswert ist noch
dass ich mit Étienne auf einer Hochzeit von einem Politiker war und am Tisch
mit dem Generalsekretär von der Oppositionspartei saß und einfach total
beeindruckt von der Feier war! Es waren etwa 300 Gäste da. Man wurde
förmlich von der Lebensfreunde und der guten Laune der Gäste angesteckt und sie
haben mich zum Tanzen aufgefordert und mir den Taschentuch – Hochzeitstanz
gezeigt! Nach der Hochzeit waren Etienne und ich noch in einer Tanzbar mit Live
Musik! Da haben wir noch ein Bierchen getrunken und den einmaligen Abend
ausklingen lassen. Lustiger weise habe ich dort drei Frauen wiedergetroffen,
die ich im Flugzeug kennenglernt habe. An diesem Abend ist mir besonders
aufgefallen, dass es manchmal eine besondere Atmosphäre gibt! Sehr afrikanisch,
sehr anders, sehr gut – sehr schwer in Worte zu fassen!
Ja! Wie ihr
meiner Mail jetzt entnehmen könnt, geht es mir hier gut und ich habe mich in
dem ersten Monat schon ganz gut eingelebt. Auch wenn ich glaube dass es
wirklich 3 – 4 Monate dauert, bis man sich wirklich wohl fühlt und vollständig
angekommen ist. Die Umstellung der Lebensumstände ist vielleicht die größte
Herausforderung. Aber um mein Verlangen nach Informationen und Nachrichten zu
stillen habe ich mir ein Radio gekauft und höre jetzt morgens und abends immer
internationale Nachrichten auf einem französischen Sender. Ich habe auch schon
drei Lieblingszeitungen gefunden: L’alternative, Liberté und Togoreveil! Das
sind sehr kleine private Zeitungen! Da Meinungs- und Pressefreiheit noch
problematisch ist, habe ich höchstens Respekt vor den Redakteuren! Nur leider
kann man die Zeitungen nicht überall kaufen! Am Grand Marché gibt es zum
Beispiel einen Zeitungsstand. Der Verkäufer ist schon mein Kumpel und er
erklärt mir immer was es so Neues gibt und über was die Menschenmasse
diskutiert, die immer vor dem Stand steht.
Am 20.09.2012 war ich in der Deutsch
Botschaft bei einem Empfang! Dort habe ich den deutschen Botschafter, Herrn
Weiß, ein wenig kennengelernt. Die Botschaft ist wirklich sehr sehr cool! Ein
sehr großes Gelände, sogar mit Rasen! Es gab Paulaner Weißbier und ich habe
viele Leute kennengelernt. Viele Freiwillige hier in Togo, aber auch viele
Togolesen/innen. Da wurden wirklich viele neue Nummern im Handy eingespeichert.
Da bin ich wirklich froh, dass ich den weiten und nicht ganz ungefährlichen Weg
abends am Boulevard am Strand gegangen bin. Es hat sich wirklich gelohnt.
Am Samstagmorgen
haben die Kinder und ich Sport gemacht. Frisbee und Fußball standen auf dem
Programm und das Spiel Möhrenziehen (Carottes :D ) kam erstaunlich gut bei den
Kindern an und wird jetzt exzessiv gespielt. Auch die Kartenspiele, die ich
erst Mittwoch gekauft habe, werden sehr häufig genutzt und machen viel Spaß.
Samstag wird hier wohl zum Sporttag.
Der Sonntag hat
mit meinem ersten Kirchgang angefangen. Schon um 6 Uhr hat der Gottesdienst
angefangen und da er auf Ewe war, habe ich leider kein Wort verstanden. Aber es
hat sich schon gelohnt, das alles einmal zu sehen. Die Atmosphäre und diese
ganz besondere Beziehung zur Kirche bzw. zum Glauben ist wirklich sehr
bemerkenswert. Für mich auch etwas bizarr und extrem. Aber man muss alles
gesehen haben, um sich ein Urteil darüber zu erlauben. Ich bin gegenüber der
Katholischen Kirche hier auf jeden Fall skeptisch.
So das war es
jetzt erst einmal wieder an Neuigkeiten!
Alles in allem
geht es mir gut! Es gibt wirklich Momente, die sehr hart sind. Aber
andererseits ist es eine derart einmalige und wunderbare Erfahrung, dass ich
wirklich begeistert bin. Hier schon einmal ein DANKE an Lena und die LKJ. Und
an den Arbeitskreis in Hude. Jetzt hoffe ich nur noch, dass ich den Kindern genauso
viel mitgeben kann, wie ich hier mitnehmen kann!
Ganz liebe Grüße
aus meiner neuen Heimat, Lomé
Robin
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