Nach der ersten Hilfe
Von Tina Hayessen
Ein anderer Kontinent, eine andere Sprache, eine andere
Kultur – wer aus Deutschland heraus wirklich in Afrika helfen will, muss viele
Faktoren beachten. Das "Kinderhaus Frieda", ein Projekt, das vor
allem aus Delmenhorst und umzu betreut wird, soll Aids-Waisen eine Zukunft
ermöglichen. Seit sechs Jahren gibt es das Kinderhaus in Lomé, Togo. Die Kinder
sind noch dieselben wie beim Start des Projekts – jetzt kommen neue Fragen und
Herausforderungen auf die Verantwortlichen zu. Vor allem: Ist die Hilfe auch
langfristig?
Delmenhorst. Einen Ort zum Leben sollten die Kinder haben,
Fürsorge, zu essen natürlich, medizinische Versorgung und eine Schulbildung.
Als der Arbeitskreis Hude/Delmenhorst des Vereins Deutsch-Afrikanische
Zusammenarbeit 2006 das "Kinderhaus Frieda" in Lomé, Togo, gründete,
waren die Probleme drängend, klar, offensichtlich. Fast alle der Kinder hatten
beide Eltern an den HI-Virus verloren. 24 Jungen und Mädchen nahm das
Kinderhaus auf, zwischen vier und zehn Jahre alt waren sie zu dieser Zeit.
"Jetzt werden einige zu jungen Erwachsenen",
erzählt Hans Ulrich Hoss. Der Delmenhorster Arzt kommt gerade aus Lomé zurück.
Dort war er zusammen mit seiner Tochter Alissa und seiner Frau Treeske
Bättig-Hoss von Anfang bis Mitte Oktober. "Mindestens einmal im Jahr
versuchen wir es einzurichten, dass jemand von uns hinfährt", sagt Hoss
über den Arbeitskreis, der aus Delmenhorst und Hude heraus das Kinderhaus in
Lomé betreut.
Natürlich gehe viel über das Internet, Abrechnungen würden
selbstverständlich auch zwischen den Besuchen geschrieben, "aber es ist
eben noch einmal etwas anderes, wirklich da zu sein". Einmal, weil so die
Paten aus Deutschland jedes Jahr neu über das Projekt informiert werden können
– denn die Unsicherheit, das Geld könnte gar nicht erst bei den Bedürftigen
ankommen, ist schließlich eine der Hauptsorgen, wenn es ums Spenden geht. Aber
natürlich geht es bei den Besuchen auch darum, die Verbindung zu pflegen, neue
Probleme zu erkennen und im günstigsten Fall gleich zu lösen.
"Gerade bei einem anderen Kulturkreis kommen schnell
Missverständnisse auf – die lassen sich über E-Mail nicht annähernd so gut
klären wie in einem echten Gespräch", sagt Hoss. Nicht ganz so zügig aus
der Welt geschafft sind andere Schwierigkeiten. Mit den Kindern sind auch deren
Bedürfnisse gewachsen. Sie brauchen nun mehr als Essen und medizinische
Versorgung. Soll die Hilfe langfristig sein, müssen Jobs für die
Heranwachsenden her – und die sind ungleich schwerer aufzutreiben als ein
warmes Mittagessen.
"Wir haben viel überlegt: Erst kam die Idee auf,
ihnen eine Art Wohngemeinschaft zu ermöglichen", berichtet Hoss. Eine
hübsche Überlegung sei das gewesen, die Jugendlichen bleiben beieinander, sie
haben wieder ein Zuhause, möglicherweise eine angegliederte Werkstatt.
"Doch das ist einfach unrealistisch", sagt Hoss. "Wenn die
Kinder einen Job, eine Ausbildung bekommen, dann sicher nicht alle in der
gleichen Ecke der Stadt. Die ist groß – und fahren ist richtig teuer."
Die momentanen Überlegungen sehen vor, den Jugendlichen
Ausbildungsplätze zu beschaffen und sie für einen gewissen Obolus bei Familien
einzuquartieren, die in der Nähe der Arbeitsstelle leben. Idealerweise
Familien, die den Organisatoren über Kontakte vor Ort bekannt sind.
Selbstverständlich müsse man auch Lehrgeld bezahlen. "Das ist dort, wie es
hier früher war: Wer eine Berufsausbildung will, muss dafür Geld haben",
stellt Hoss klar und denkt das Szenario zu Ende: "Die Jugendlichen könnten
sich nach der Ausbildung selbstständig machen – als Tischler oder Elektroniker.
Auch Wasseraufbereitung ist ein wichtiges Thema. Vorstellbar sind außerdem
Wäschereien oder Nähereien."
Dafür würde das Projekt Kleinkredite bereitstellen. Die
Jungunternehmer könnten sie in kleinen Raten zurückzahlen und es gäbe wieder
neues Kapital für die nächste Generation. Die soll es natürlich auch wieder
geben, betont Hoss. Denn natürlich hinterlassen noch immer HIV-infizierte
Eltern nach ihrem Tod junge Kinder, die ohne familiäre Hilfe sind. Das Kinderhaus
Frieda soll für sie ein Zuhause werden.
Auch wenn jetzt neue Probleme auf den Plan treten, Hoss
ist vor allem froh, dass es das Projekt so weit geschafft hat. "Wir sind
aus dem Gröbsten raus. Solche Projekte scheitern normalerweise in den ersten
zwei Jahren, es hat sich gezeigt, dass die Strukturen auch Krisenzeiten
überstehen." Gut ein Dutzend Leute sind im engeren Kreis der
Organisatoren, dahinter stehen Paten, Geldgeber, die die Kinder mit
verschiedenen Beträgen unterstützen. Außerdem Menschen, die bei verschiedenen
Benefizveranstaltungen ein paar Euro für den guten Zweck zu geben bereit sind.
Wenn alles so klappt, wie sich Hoss und der Arbeitskreis
Hude/Delmenhorst sich das vorstellen, könnten die Kinder, die bald neu ins
Kinderhaus ziehen, später von der Vorarbeit der Älteren profitieren – und zum
Beispiel bei ihnen in die Lehre gehen. Bis dahin ist noch viel zu tun, zu
bedenken und möglicherweise auch zu verwerfen. Die Kinder nach Deutschland zu
holen, stehe allerdings nicht zur Debatte. "Wir wollen nicht den schnellen
Erfolg, das ist manchmal nur ganz schwer auszuhalten", räumt Hoss ein.
Aber weder für die Kinder noch ihr Land wäre es ideal, die Jugendlichen einfach
in ein Flugzeug nach Deutschland zu setzen.
"Man muss die Gegebenheiten des Landes bedenken und
danach handeln", ist Hoss überzeugt. Alle Pläne, die er und die übrigen
Arbeitskreismitglieder für die Zukunft der Kinder geschmiedet haben, sind noch
nicht fest, unterstreicht er. "Aber es hat sich gezeigt, dass sich immer
eine Lösung findet", hält er dagegen und es blickt ein wenig die
Lockerheit und Zuversicht durch, die er zuvor als typisch für die Menschen in
Lomé beschrieben hat.
Am 16. November um 19 Uhr berichtet Hoss über die aktuelle
Situation im Kinderhaus Frieda. Alle Paten, Förderer und Interessierten sind
dazu in die evangelische Kirche Hude, Vielstedter Straße 48, eingeladen.
Weitere Infos zum Projekt gibt es unter www.kinderhaus-frieda.de.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen